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Philippe Marguerat, Banques et grande industrie. France, Grande-Bretagne, Allemagne 1880–1930. Paris, Presses de Sciences Po 2015

Thiemeyer, Guido
In: Historische Zeitschrift, Jg. 306 (2018-06-05), S. 867-869
Online unknown

Philippe Marguerat, Banques et grande industrie. France, Grande-Bretagne, Allemagne 1880–1930. Paris, Presses de Sciences Po 2015 

Philippe Marguerat, Banques et grande industrie. France, Grande-Bretagne, Allemagne 1880–1930. 2015 Presses de Sciences Po Paris, 978-2-7246-1780-1, € 35,–

Die Rolle von Banken bei der Finanzierung von Großunternehmen im Kontext der sogenannten zweiten Phase der Industriellen Revolution zwischen 1880 und 1914 ist bereits seit einiger Zeit ein bevorzugtes Forschungsobjekt der Wirtschafts- und Bankengeschichte. Ziel der Publikation von Philippe Marguerat ist es, die bislang national orientierte Forschung zu Großbritannien, Frankreich und dem Deutschen Reich bilanzierend gegenüberzustellen und die unterschiedlichen Entwicklungen in den drei Ländern zu vergleichen. Zudem stellt er die nach wie vor aktuelle Frage, welches Bankensystem für das wirtschaftliche Wachstum eines Landes besonders geeignet ist.

Die Bankensysteme der drei Länder waren im fraglichen Zeitraum sehr verschieden. In Großbritannien dominierten die hochspezialisierten und daher vergleichsweise kleinen Bankhäuser. Hierin sieht Marguerat einen wichtigen Grund, warum das britische Wachstum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges im Vergleich zum Deutschen Reich und zu Frankreich schwach blieb. Die zweite Phase der Industriellen Revolution wurde getragen von der chemischen Industrie, der Elektroindustrie und dem Kohle- und Stahlsektor. Alle drei Sektoren hatten einen sehr hohen Kapitalbedarf und waren daher auf den leichten Zugang zu den Finanzmärkten angewiesen. Das britische System war zwar in der Lage, Kapital bereitzustellen, allerdings, so Marguerat, nicht in ausreichendem Maße. Die britischen Banken waren für die Bedürfnisse der neuen Industrie schlicht zu klein, daher war das Risiko für die Kapitalgeber auch zu groß. Hinzu kam, dass das britische System auch wenig anpassungsfähig an die neuen Bedürfnisse war.

Demgegenüber waren die Banken im Deutschen Reich als Universalbanken organisiert. Entgegen Tendenzen der jüngeren Forschung (Caroline Fohlin) hält Marguerat daran fest, dass das deutsche Bankensystem und vor allem seine enge institutionelle und personelle Verflechtung mit der Großindustrie ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für das Deutsche Reich in zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren. Erst durch die enge Verflechtung seien die Bedürfnisse der neuen Industrien an das Bankensystem schnell kommuniziert worden. Daher sei die deutsche Industrie im Gegensatz zur britischen Konkurrenz schnell und in ausreichendem Maße mit Kapital versorgt worden. Die Krise der deutschen Wirtschaft Ende der 1920er Jahre sei daher auch entstanden, weil sich die deutsche Wirtschaft unter den Bedingungen der weltwirtschaftlichen und politischen Entwicklung nach dem Weltkrieg von der engen Verflechtung zwischen Universalbanken und Großindustrie verabschieden musste. Als das vorwiegend US-amerikanische Kapital 1929 aus Deutschland zurückgezogen wurde, geriet die deutsche Wirtschaft daher in eine tiefe Krise.

Die französische Wirtschaft wuchs in der Zeit der zweiten Industriellen Revolution nicht ganz so stark wie die deutsche, aber deutlich kräftiger als die britische. Dem entsprach, so die These von Philippe Marguerat, auch das französische Modell der Kooperation zwischen Banken und Großindustrie. Dieses beschreibt er ebenfalls als eine Mischung aus dem britischen und dem deutschen Modell. Die Verflechtung zwischen Großindustrie und Banken war nicht so hoch wie in Deutschland, aber deutlich stärker als in Großbritannien. Dies ist für den französischen Wirtschaftshistoriker ein deutlicher Beleg dafür, dass es in der fraglichen Zeit eine enge Beziehung zwischen dem Wirtschaftswachstum und dem Bankensystem gab.

Die Studie überzeugt vor allem durch ihre klare Struktur und den konsequent durchgehaltenen trilateralen Vergleich. Sie bezieht daher auch eine prägnante Position in der geschichtswissenschaftlichen Debatte, die gleichwohl nicht abgeschlossen sein dürfte.

By Guido Thiemeyer

Titel:
Philippe Marguerat, Banques et grande industrie. France, Grande-Bretagne, Allemagne 1880–1930. Paris, Presses de Sciences Po 2015
Autor/in / Beteiligte Person: Thiemeyer, Guido
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 306 (2018-06-05), S. 867-869
Veröffentlichung: Walter de Gruyter GmbH, 2018
Medientyp: unknown
ISSN: 2196-680X (print) ; 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2018-1245
Schlagwort:
  • History
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: OpenAIRE

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