Zum Hauptinhalt springen

Kerstin Heuwinkel: Tourismussoziologie. München: UTB-UVK, 2019, 229 Seiten

Kagermeier, Andreas
In: Zeitschrift für Tourismuswissenschaft, Jg. 11 (2019-04-01), S. 178-180
Online unknown

Kerstin Heuwinkel: Tourismussoziologie. München: UTB-UVK, 2019, 229 Seiten 

Graph: graphic/j_tw-2019-0010_fig_001.jpg

Tourismus nur durch die ökonomische Brille zu betrachten, greift zu kurz. Tourismus hat auch gesellschaftliche Effekte und wird durch gesellschaftliche Zustände beeinflusst. Schließlich agieren Besucher, Besuchte und touristische Dienstleister miteinander".

Dieses Zitat vom Klappentext des Studienbuches Tourismussoziologie fast den programmatischen Ansatz des Bandes prägnant zusammen. Selbstverständlich ist aus Sicht der Angebotsseite relevant, dass „am Ende des Tages" eben Umsätze und Renditen generiert werden sowie aus der regionalökonomischen Perspektive in den Destinationen Arbeitsplätze und Wertschöpfung geschaffen werden. Gleichzeitig ist die stark ökonomisch ausgerichtete Perspektive in den Tourismuswissenschaften inzwischen sehr dominant. Breitere sozial- oder kulturwissenschaftliche Ansätze aus unterschiedlichsten Disziplinen haben in den letzten Jahren – zumindest im deutschsprachigen Raum – tendenziell wohl an Bedeutung verloren. Umso wichtiger erscheint es dem Rezensenten, dass mit dem vorgelegten Studienbuch, aus einer der sozialwissenschaftlichen Disziplinen explizit die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Tourismus und Reisen als sozialem Handeln thematisiert wird.

Das Studienbuch ist dabei einerseits einem klaren soziologischen Blickwinkel verpflichtet. Andererseits werden die Paradigmen und Konzepte der Soziologie stringent auf den touristischen Kontext ausgerichtet. Dabei werden zunächst in einem historischen Rekurs eine Reihe von renommierten Soziologen und sozialwissenschaftlich orientierte Autoren Revue passieren lassen. En passant werden dabei eine Vielzahl von soziologischen und sozialwissenschaftlichen Ansätze und Konzepte am konkreten Beispiel eingeführt, so dass sich in der Zusammenschau fast eine Wissenschaftsgeschichte der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Tourismus ergibt. Dass dabei Urry nicht fehlen darf und ein großes Augenmerk auf Cohen liegt, erscheint fast selbstverständlich. Die einzelnen Passagen sind für sich genommen eingängig und fundiert. Gleichwohl wäre es möglicherweise wünschenswert gewesen, dass die konkrete Nachwirkung der unterschiedlichen Impulse in der Rezeptionsgeschichte auf die spätere Forschung noch etwas vertieft worden wäre.

Im Kapitel über die Methoden der Tourismussoziologie wird ein kompakter, anschaulicher Durchgang durch die relevanten methodischen Ansätze der Sozialwissenschaften mit dem Verweis auf deren Anwendbarkeit in der sozialwissenschaftlichen ausgerichteten Tourismusforschung geboten. Gerade für Studienanfänger sicherlich eine gute Einführung in die Grundlagen. Dabei wäre es aber wohl möglich erschienen, dass konkrete Fallbeispiele von Studien, in denen die Methoden eingesetzt worden sind sowie die dabei erzielten konkreten Befunde, noch intensiver eingeflochten worden wären.

Großen Raum nimmt die Vorstellung von soziologischen Zugängen und deren Anwendbarkeit in der tourismuswissenschaftlichen Analyse ein. Dabei werden die unterschiedlichen Konzepte und Paradigmen verständlich und anschaulich eingeführt und auf den touristischen Kontext bezogen. Eindrucksvoll können die Vielfalt an Facetten der Annäherung an die touristische raxis unter Beweis gestellt werden. Gleichzeitig bleibt manches dann doch etwas unverbindlich im Hinblick auf die Frage, welche konkrete Implikationen sich aus diesen analytischen Zugängen ergeben.

Zwar werden in einem Kapitel „Anwendungsfelder" eine Vielzahl von Bereichen, von Riskiken und dem Gender-Kontext über Nachhaltigkeitsaspekte und den Voluntourismus bis hin zu Identität und Inszenierung angesprochen. Auch wenn dabei die Vielfalt der Blickwinkel und Themenfelder anschaulich angerissen wird, wären wohl auch hier etwas mehr vertiefende empirische Befund – bzw. eben der Hinweis auf deren Fehlen und entsprechenden Desideraten für künftige Forschungsansätze – bzw. ein etwas stringenterer Bezug auf die vorangegangene Kapitel wünschenswert gewesen.

Etwas schade auch, dass das Abschlusskapitel „Reisen ist soziales Handeln" mit 4 Seiten etwas knapp ausfällt. Möglicherweise liegt es aber auch einfach an der Natur eines Studienbuches, dass vieles nur angerissen und gestreift werden kann. Gleichwohl liegt der unbestrittene Wert des Bandes darin, in einer Art Kaleidoskop klar zu machen, welche Vielfalt an sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen Tourismus und Reisen besteht und dass sie die wissenschaftliche Auseinandersetzung – über die klar relevante ökonomische Betrachtungsweise hinaus und diese oftmals komplementierend – bereichern und vertiefend absichern kann.

Dementsprechend sollte das Buch in keinem Literaturkanon von tourismuswissenschaftlichen Studiengängen fehlen, um klar zu machen, dass die rein ökonomische Betrachtungsweise durch die Ergänzung um sozialwissenschaftliche Konzepte an Tiefe – und möglicherweise mittelfristig auch an erfolgreichen Umsetzungskonzepten – gewinnen kann. Die Einbeziehung von sozialwissenschaftlichen Ansätzen könnte dazu beitragen, dass Tourismus dauerhaft als Wirtschaftssektor erfolgreich bleibt, wenn neue Angebotskonzepte nicht nur intuitiv geschöpft, sondern auf einer fundierten sozialwissenschaftlichen Basis entwickelt werden.

By Andreas Kagermeier

Reported by Author

Titel:
Kerstin Heuwinkel: Tourismussoziologie. München: UTB-UVK, 2019, 229 Seiten
Autor/in / Beteiligte Person: Kagermeier, Andreas
Link:
Zeitschrift: Zeitschrift für Tourismuswissenschaft, Jg. 11 (2019-04-01), S. 178-180
Veröffentlichung: Walter de Gruyter GmbH, 2019
Medientyp: unknown
ISSN: 2366-0406 (print) ; 1867-9501 (print)
DOI: 10.1515/tw-2019-0010
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: OpenAIRE

Klicken Sie ein Format an und speichern Sie dann die Daten oder geben Sie eine Empfänger-Adresse ein und lassen Sie sich per Email zusenden.

oder
oder

Wählen Sie das für Sie passende Zitationsformat und kopieren Sie es dann in die Zwischenablage, lassen es sich per Mail zusenden oder speichern es als PDF-Datei.

oder
oder

Bitte prüfen Sie, ob die Zitation formal korrekt ist, bevor Sie sie in einer Arbeit verwenden. Benutzen Sie gegebenenfalls den "Exportieren"-Dialog, wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm verwenden und die Zitat-Angaben selbst formatieren wollen.

xs 0 - 576
sm 576 - 768
md 768 - 992
lg 992 - 1200
xl 1200 - 1366
xxl 1366 -