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Philipp Rohrbach

Florian Schwanninger (Hrsg.), Beyond Hartheim. Täterinnen und Täter im Kontext von „Aktion T4" und „Aktion Reinhard". (Historische Texte des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim.) Innsbruck, Studien Verlag 2019.
In: Historische Zeitschrift, Jg. 311 (2020-10-01), Heft 2, S. 539-540
Online review

Philipp Rohrbach / Florian Schwanninger (Hrsg.), Beyond Hartheim. Täterinnen und Täter im Kontext von „Aktion T4" und „Aktion Reinhard". (Historische Texte des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim.) Innsbruck, Studien Verlag 2019 

Philipp Rohrbach, Beyond Hartheim. Täterinnen und Täter im Kontext von „Aktion T4" und „Aktion Reinhard". Historische Texte des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim. 2019 Studien Verlag GmbH Innsbruck, 978-3-7065-5604-0, € 19,90

In der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz wurden von Mai 1940 bis August 1941 über 18 000 Menschen ermordet, in einer zweiten Phase von August 1941 bis Dezember 1944 etwa 12 000 Menschen. Es war die einzige „Euthanasie"-Tötungsanstalt, die sich in Österreich befand. Der vorliegende Band fokussiert Täterinnen und Tätern dieses nationalsozialistischen Massenmords.

Brigitte Kepplinger skizziert die mit der Tarnbezeichnung versehene „Aktion T4" und die Rekrutierung des Personals, wobei sie insbesondere der Frage nachgeht, wie dessen Alltag aussah. Hier bildete sich eine verschworene Gemeinschaft: Zwischen den Angehörigen der Anstalt gab es Liebesbeziehungen und Ehen, Ferien wurden gemeinsam in einem T4-Erholungsheim verbracht.

Den Einsatz des ehemaligen T4-Personals im Distrikt Lublin nach dem Abschluss der zentralen „Euthanasie"-Mordaktion zeigt Bertrand Perz, wo mit den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka eine Zentrale des Genozids entstand. Im Mittelpunkt steht die Dienststelle des SS- und Polizeiführers von Lublin, Odilo Globocnik. Überproportional viele Angestellte entstammten einem schon vor 1941 existierenden Netzwerk Globocniks, darunter langjährige illegale Angehörige der NS-Bewegung aus dessen Kärntner Heimat, die Erfahrung hatten in der Schaffung von Tarnorganisationen. Eine starke ideologische Verankerung in der NS-Bewegung, Loyalität zu Globocnik ebenso wie verbesserte Karrierechancen zählten zu den Motivationen der Täter.

Die Rekrutierung, Ausbildung und Aufgaben der meist aus sowjetischen Kriegsgefangenen zusammengesetzten Trawniki-Männer in den Vernichtungslagern ist Thema des Aufsatzes von Angelika Benz. Die ambivalente Situation – einerseits als weitgehend rechtlose Untergebene der SS, andererseits als Herren über Leben und Tod der Juden – führte zu einer Übernahme der Gewaltprinzipien, die sie am eigenen Leib erfahren hatten. Ein weiterer Beitrag von Leo Gürtler analysiert Gitta Serenys 1971 geführte Gespräche mit dem Kommandanten von Treblinka, Franz Stangl, um einerseits dessen Rechtfertigungsstrategien, andererseits Fehler und Missinterpretationen Serenys herauszuarbeiten.

Simone Loistls Biografie des in der Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart und in Hartheim tätigen Arztes Dr. Rudolf Lonauer basiert auf amtlichen, beruflichen und privaten Dokumenten. Wie Hitler, Eichmann und Kaltenbrunner ging Lonauer in Linz zur Schule, wie der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß hatte er schon vor seiner mörderischen Karriere einen Menschen getötet, in seinem Fall einen Mitstudenten im Duell.

Die juristische Nachgeschichte untersucht Peter Eigelsberger. 1947 und 1948 führte das Volksgericht Linz zwei Prozesse zu Hartheim und Niedernhart durch, in denen insgesamt zwölf Personen angeklagt und vier Haftstrafen verhängt wurden. Obwohl die Ermittlungen weitreichend waren, war das juristische Ergebnis mager, da einige Täter in alliierten Verfahren abgeurteilt worden waren, Selbstmord begangen hatten oder nicht ermittelbar waren, so dass nur weitgehend subalternes Personal übrig blieb.

Zwar ist der Zusammenhang zwischen der sogenannten „Euthanasie" und dem Genozid in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhard" schon seit vielen Jahren bekannt, doch das in den Aufsätzen ausgebreitete neue Quellenmaterial, neue Fragestellungen ebenso wie das teils unbekannte Bildmaterial ergänzen auf eindrucksvolle Weise unser Wissen um den Massenmord.

By Edith Raim

Reported by Author

Titel:
Philipp Rohrbach
Verantwortlichkeitsangabe: Florian Schwanninger (Hrsg.), Beyond Hartheim. Täterinnen und Täter im Kontext von „Aktion T4" und „Aktion Reinhard". (Historische Texte des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim.) Innsbruck, Studien Verlag 2019.
Autor/in / Beteiligte Person: Raim, Edith
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 311 (2020-10-01), Heft 2, S. 539-540
Veröffentlichung: 2020
Medientyp: review
ISSN: 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2020-1409
Schlagwort:
  • BEYOND Hartheim: Taterinnen und Tater im Kontext von -Aktion T4" und -Aktion Reinhard" (Book)
  • ROHRBACH, Philipp
  • SCHWANNINGER, Florian
  • NATIONAL socialism
  • NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: English
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = München, Germany.

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