Linde, Frank ; Auferkorte-Michaelis, Nicole : Diversität in der Hochschullehre – Didaktik für den Lehralltag. Opladen : Barbara Budrich, 2021 (Kompetent lehren, 13; utb 5603). – ISBN 978-3-8252-5603-6. 143 Seiten, € 14,90.
Durch Globalisierung, Migration sowie politische Entscheidungen gewinnt das Thema Diversität stetig an Bedeutung und wird in unterschiedlichen Gebieten wie Medien, Wirtschaft und Politik diskutiert. Zentral bei dieser Diskussion ist das Verständnis, dass unterschiedliche Meinungen, soziale Milieus und Herkunft das menschliche Zusammensein bereichern, statt es negativ zu beeinflussen.
Die Auseinandersetzung mit Diversität bekommt auch in der Hochschullehre Aufmerksamkeit. Diversitätsgerechtes Lehren ist eine Herausforderung, die bestimmte Einstellungen sowie bewusste Entscheidungen verlangt. Mit der Beantwortung der Frage, wie die Hochschullehre diversitätsgerecht gestaltet werden kann (
Die Autor*innen ordnen das Buch in zwei Teile: Der erste Teil setzt sich mit den Leser*innen in ihrer Rolle als Lehrende sowie der Lehre im Hinblick auf Diversitätsaspekte auseinander, der zweite widmet sich, darauf aufbauend, umsetzungsorientiert der diversitätsgerechten Lehre.
Der erste Teil beginnt mit einem Kapitel zu Lehrhaltungen und Lehrperspektiven (Kap.2). Die Autor*innen plädieren dafür, sich bei der Lehrvorbereitung zunächst mit sich selbst auseinanderzusetzen und das eigene Selbstverständnis als Lehrperson zu klären. Bei der Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen stützen sie sich auf die Arbeiten von Pratt. Dabei gehen sie detailliert auf das Modell von Lehrperspektiven ([
Das folgende Kapitel setzt sich damit auseinander, [w]as Lernen behindert (Kap. 3). Dafür werden die Diversitätsmerkmale von [
Nach der Auseinandersetzung mit Lernbarrieren widmet sich das Buch der begrifflichen Klärung von Heterogenität, Diversität und Inklusion, wobei der Klärung eine ausführliche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Begriffen fehlt (Kap. 4). Erfreulich ist das Zurückgreifen auf einen breiten Inklusionsbegriff, welcher nicht nur Beeinträchtigungen von Menschen berücksichtigt, sondern alle Art von Unterschieden umfasst (
Das nächste Kapitel geht auf das Modell HEAD Wheel (Higher Education Awareness for Diversity) von [
Der zweite Teil des Buches, der praxisorientierter verfasst wurde, erläutert, wie sich Diversitätskompetenz von Hochschullehrenden konkret umsetzen lässt (Kap. 7). Dazu stellen die Autor*innen Diversitätskompetenz als Strukturmodell sowie Entwicklungsmodell vor und appellieren an die Leser*innen als Lehrende, sich der Kompetenzentwicklung anzunehmen. Zur Vertiefung des Themas Diversitätskompetenz wird explizit dargestellt, wie sich Lehrveranstaltungen diversitätsgerecht planen lassen (Kap. 8). Dafür wird das Modell Learning Outcome orientierte Planung (LOOP) von [
Im darauffolgenden Kapitel wird die inklusive Gestaltung der Lehre am Beispiel der typischen Lehrformen Vorlesung und Seminar konkretisiert (Kap. 9). Dazu werden u. a. die Themen Methodenwahl und Gruppenarbeit angesprochen. Mit der Vorstellung zweier ausgewählter Methoden, Buzz-Groups und One-Minute-Papier, und einer Referenz zu einer Methodensammlung bieten die Autor*innen den Leser*innen Zugriff auf eine große Auswahl an möglichen didaktischen Methoden, um das Lernen der Studierenden zu fördern und diversitätsgerechtes Lehren zu unterstützen (
Im vorletzten Kapitel des Buches wird für inklusive Prüfungsformen geworben und vorgeschlagen, Standardprüfungen zu hinterfragen, da dabei „nicht alle Studierenden ihr volles Leistungspotenzial demonstrieren" (
Das Buch schließt mit dem Kapitel Digital divers – divers digital, womit die Autor*innen ein aktuelles und an Relevanz gewinnendes Thema diskutieren (Kap. 11). Zu Recht wird im Kontext der diversitätsgerechten Anpassung bei der digitalen Lehre die Bedeutung der Chancengleichheit der Studierenden betont. Damit wird ein Denkanstoß geliefert, die im Buch vorgestellten Konzepte und Ansätze auch in der Zukunft kontinuierlich auszubauen und an die sich ändernden Gegebenheiten anzupassen.
Ziel des Buches ist es, die Lehrenden dabei zu unterstützen, ihre Lehre so zu gestalten, dass sie der Diversität von Studierenden gerecht wird. Dabei betont die Reihenherausgeberin Brendel in ihrem Vorwort, dass das Werk „keine Überforderung, sondern eine Entlastung" (
Kritisch zu erwähnen ist, dass in der Einleitung Begriffe wie selbstgesteuertes, autonomes und forschungsorientiertes Lernen undefiniert genutzt werden, welche dann im weiteren Verlauf des Buches nicht mehr vorkommen. Strittig ist auch der Aspekt, dass Diversitätsgerechtigkeit nur in Bezug auf Studierende betrachtet wird. Die Lehre ist stets ein wechselseitiger Prozess zwischen Lehrenden und Studierenden. Sinnvoll wäre es daher, auch die Diversität von Lehrpersonen einzubeziehen und zu zeigen, wie die Lehre davon profitieren könnte. An vielen Stellen ist durch fehlende Argumentation schwer nachvollziehbar, warum bestimmte theoretische Grundlagen, Definitionen und Modelle ausgewählt wurden, so z. B. beim Modell der Lehrperspektiven (Kap. 2), der Definition von Stereotypen (Kap. 3), oder beim HEAD Wheel (Kap 5.). Dadurch entsteht der Eindruck, dass diese Darstellung von Diversitätsgerechtigkeit in der Lehre alternativlos ist. Ob das Planen und Lehren strikt nach den vorgeschlagenen Modellen am Ende wirklich dazu führt, dass sich die Hochschullehre gegenüber der Diversität der Studierenden öffnet, lässt sich kritisch hinterfragen. So ist und bleibt der erste Schritt ein Umdenken, welches flächendeckend stattfinden muss.
Trotz der vorhandenen Kritikpunkte bietet das Buch wertvolle Anregungen, Empfehlungen und Werkzeuge, die helfen können, Hochschullehre diversitätsgerecht zu gestalten und damit einen ersten wichtigen Schritt zu Diversitätsgerechtigkeit in der Hochschule beizutragen. Durch das Einbinden vieler Modell- und Methodenvorlagen und ihrer guten Übertragbarkeit wird zudem eine breite Zielgruppe angesprochen.
By Daria Babanova and Milena Kahl
Reported by Author; Author