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Linde, Frank; Auferkorte-Michaelis, Nicole: Diversität in der Hochschullehre – Didaktik für den Lehralltag. Opladen: Barbara Budrich, 2021 (Kompetent lehren, 13; utb 5603). – ISBN  978-3-8252-5603-6. 143 Seiten, € 14,90

Babanova, Daria ; Kahl, Milena
In: Info DaF: Informationen Deutsch als Fremdsprache, Jg. 49 (2022-04-01), Heft 2/3, S. 222-225
Online academicJournal

Linde, Frank; Auferkorte-Michaelis, Nicole: Diversität in der Hochschullehre – Didaktik für den Lehralltag. Opladen: Barbara Budrich, 2021 (Kompetent lehren, 13; utb 5603). – ISBN  978-3-8252-5603-6. 143 Seiten, € 14,90 

Linde, Frank ; Auferkorte-Michaelis, Nicole : Diversität in der Hochschullehre – Didaktik für den Lehralltag. Opladen : Barbara Budrich, 2021 (Kompetent lehren, 13; utb 5603). – ISBN  978-3-8252-5603-6. 143 Seiten, € 14,90.

Durch Globalisierung, Migration sowie politische Entscheidungen gewinnt das Thema Diversität stetig an Bedeutung und wird in unterschiedlichen Gebieten wie Medien, Wirtschaft und Politik diskutiert. Zentral bei dieser Diskussion ist das Verständnis, dass unterschiedliche Meinungen, soziale Milieus und Herkunft das menschliche Zusammensein bereichern, statt es negativ zu beeinflussen.

Die Auseinandersetzung mit Diversität bekommt auch in der Hochschullehre Aufmerksamkeit. Diversitätsgerechtes Lehren ist eine Herausforderung, die bestimmte Einstellungen sowie bewusste Entscheidungen verlangt. Mit der Beantwortung der Frage, wie die Hochschullehre diversitätsgerecht gestaltet werden kann (8), setzen sich Linde und Auferkorte-Michaelis in ihrem Buch Diversität in der Hochschullehre – Didaktik für den Lehralltag auseinander. Beide Autor*innen beschäftigen sich seit Jahren mit hochschuldidaktischen Themen und arbeiten gemeinsam an einer Online-Plattform für Kompetenzentwicklung für Studium und Lehre (www.komdim.de).

Die Autor*innen ordnen das Buch in zwei Teile: Der erste Teil setzt sich mit den Leser*innen in ihrer Rolle als Lehrende sowie der Lehre im Hinblick auf Diversitätsaspekte auseinander, der zweite widmet sich, darauf aufbauend, umsetzungsorientiert der diversitätsgerechten Lehre.

Der erste Teil beginnt mit einem Kapitel zu Lehrhaltungen und Lehrperspektiven (Kap.2). Die Autor*innen plädieren dafür, sich bei der Lehrvorbereitung zunächst mit sich selbst auseinanderzusetzen und das eigene Selbstverständnis als Lehrperson zu klären. Bei der Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen stützen sie sich auf die Arbeiten von Pratt. Dabei gehen sie detailliert auf das Modell von Lehrperspektiven ([6] et al. 2016) ein, dessen Fundament fünf grundlegende Perspektiven auf die Vermittlung von Inhalten bilden. Zusätzlich werden die dabei angestrebten Ziele und möglichen Herausforderungen erläutert. Leider werden Fachbegriffe wie scaffolding (vgl. [7] et al. 1976; [3] 2002) nur fragmentarisch eingeführt. Dies ist problematisch, da den Leser*innen somit ein verkürztes Konzeptverständnis vermittelt wird. So hat scaffolding nicht – wie von den Autor*innen dargestellt – das Ziel, Aufgaben zu vereinfachen bzw. aufzuteilen (18), sondern komplexe Aufgabe und Inhalte so zu gestalten, dass sie für Lernende bzw. Studierende zugänglich gemacht werden (vgl. [3] 2002).

Das folgende Kapitel setzt sich damit auseinander, [w]as Lernen behindert (Kap. 3). Dafür werden die Diversitätsmerkmale von [4] et al. (1998) eingeführt. Diese werden in unsichtbare Merkmale, wie körperliche Beeinträchtigungen, und sichtbare Merkmale, wie psychische Beeinträchtigung, unterschieden, wobei die sichtbaren häufig von den unsichtbaren ablenken. Es folgen stichpunktartig präsentierte Vorschläge zum Umgang mit Barrieren und Stereotypen bei der Begleitung von Studierenden.

Nach der Auseinandersetzung mit Lernbarrieren widmet sich das Buch der begrifflichen Klärung von Heterogenität, Diversität und Inklusion, wobei der Klärung eine ausführliche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Begriffen fehlt (Kap. 4). Erfreulich ist das Zurückgreifen auf einen breiten Inklusionsbegriff, welcher nicht nur Beeinträchtigungen von Menschen berücksichtigt, sondern alle Art von Unterschieden umfasst (39).

Das nächste Kapitel geht auf das Modell HEAD Wheel (Higher Education Awareness for Diversity) von [2] (2016) ein, mit dem verschiedene Dimensionen von Diversität in der Hochschullehre dargestellt werden (Kap. 5). Jede Dimension wird durch ihre Relevanz sowie Herausforderungen spezifiziert, wobei Tipps und Hinweise zum Umgang mit den Herausforderungen gegeben werden. Der erste Teil des Buches endet dann mit einem von den Autor*innen selbst entwickelten Mehrebenen-Ansatz zum Umgang mit Diversität in der Lehre (Kap. 6).

Der zweite Teil des Buches, der praxisorientierter verfasst wurde, erläutert, wie sich Diversitätskompetenz von Hochschullehrenden konkret umsetzen lässt (Kap. 7). Dazu stellen die Autor*innen Diversitätskompetenz als Strukturmodell sowie Entwicklungsmodell vor und appellieren an die Leser*innen als Lehrende, sich der Kompetenzentwicklung anzunehmen. Zur Vertiefung des Themas Diversitätskompetenz wird explizit dargestellt, wie sich Lehrveranstaltungen diversitätsgerecht planen lassen (Kap. 8). Dafür wird das Modell Learning Outcome orientierte Planung (LOOP) von [1] (1986) eingeführt, anhand dessen in sechs Schritten die eigene Lehre einem Diversity-Check unterzogen werden kann. Die Herangehensweise an die diversitätsgerechte Lehre erscheint durch die Arbeit mit Modellen und Checklisten eher technisch, ist damit aber auch umsetzungsorientiert gestaltet.

Im darauffolgenden Kapitel wird die inklusive Gestaltung der Lehre am Beispiel der typischen Lehrformen Vorlesung und Seminar konkretisiert (Kap. 9). Dazu werden u. a. die Themen Methodenwahl und Gruppenarbeit angesprochen. Mit der Vorstellung zweier ausgewählter Methoden, Buzz-Groups und One-Minute-Papier, und einer Referenz zu einer Methodensammlung bieten die Autor*innen den Leser*innen Zugriff auf eine große Auswahl an möglichen didaktischen Methoden, um das Lernen der Studierenden zu fördern und diversitätsgerechtes Lehren zu unterstützen (76). Die Auseinandersetzung mit Gruppenarbeit erfolgt sehr ausführlich und schließt mit den fünf Phasen der Entwicklung einer Gruppe von [5] (2011). Zusätzlich zur Darstellung der Phasen werden unterschiedliche Konzepte verschiedener Autor*innen eingebunden und somit viele Aspekte der Gruppenarbeit mit ihren dazugehörigen Herausforderungen und Möglichkeiten beleuchtet. Für Leser*innen, welche bereits Gruppenarbeiten in der Lehre eingebaut haben, dürfte dabei vieles bereits bekannt sein.

Im vorletzten Kapitel des Buches wird für inklusive Prüfungsformen geworben und vorgeschlagen, Standardprüfungen zu hinterfragen, da dabei „nicht alle Studierenden ihr volles Leistungspotenzial demonstrieren" (112) können (Kap. 10). Ein Alternativvorschlag ist das Anbieten von mehr als einer Prüfungsform für dieselbe Prüfungsleistung. Die Idee ist zunächst diversitätsgerecht, es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern zwei bis drei verschiedene Prüfungsformen pro Veranstaltung für die Lehrenden in der Praxis umsetzbar sind.

Das Buch schließt mit dem Kapitel Digital divers – divers digital, womit die Autor*innen ein aktuelles und an Relevanz gewinnendes Thema diskutieren (Kap. 11). Zu Recht wird im Kontext der diversitätsgerechten Anpassung bei der digitalen Lehre die Bedeutung der Chancengleichheit der Studierenden betont. Damit wird ein Denkanstoß geliefert, die im Buch vorgestellten Konzepte und Ansätze auch in der Zukunft kontinuierlich auszubauen und an die sich ändernden Gegebenheiten anzupassen.

Ziel des Buches ist es, die Lehrenden dabei zu unterstützen, ihre Lehre so zu gestalten, dass sie der Diversität von Studierenden gerecht wird. Dabei betont die Reihenherausgeberin Brendel in ihrem Vorwort, dass das Werk „keine Überforderung, sondern eine Entlastung" (7, Hervorhebung im Original) für Lehrpersonen darstellt und sich an verschiedene Zielgruppen richtet. Hervorzuheben ist an dieser Stelle die konsequente Einbindung von Hinweisen zu weiterführender Literatur, Links und QR-Codes zu Videos und Webseiten, welche den Leser*innen stets die Möglichkeit bieten, die einzelnen Themen weiter zu vertiefen.

Kritisch zu erwähnen ist, dass in der Einleitung Begriffe wie selbstgesteuertes, autonomes und forschungsorientiertes Lernen undefiniert genutzt werden, welche dann im weiteren Verlauf des Buches nicht mehr vorkommen. Strittig ist auch der Aspekt, dass Diversitätsgerechtigkeit nur in Bezug auf Studierende betrachtet wird. Die Lehre ist stets ein wechselseitiger Prozess zwischen Lehrenden und Studierenden. Sinnvoll wäre es daher, auch die Diversität von Lehrpersonen einzubeziehen und zu zeigen, wie die Lehre davon profitieren könnte. An vielen Stellen ist durch fehlende Argumentation schwer nachvollziehbar, warum bestimmte theoretische Grundlagen, Definitionen und Modelle ausgewählt wurden, so z. B. beim Modell der Lehrperspektiven (Kap. 2), der Definition von Stereotypen (Kap. 3), oder beim HEAD Wheel (Kap 5.). Dadurch entsteht der Eindruck, dass diese Darstellung von Diversitätsgerechtigkeit in der Lehre alternativlos ist. Ob das Planen und Lehren strikt nach den vorgeschlagenen Modellen am Ende wirklich dazu führt, dass sich die Hochschullehre gegenüber der Diversität der Studierenden öffnet, lässt sich kritisch hinterfragen. So ist und bleibt der erste Schritt ein Umdenken, welches flächendeckend stattfinden muss.

Trotz der vorhandenen Kritikpunkte bietet das Buch wertvolle Anregungen, Empfehlungen und Werkzeuge, die helfen können, Hochschullehre diversitätsgerecht zu gestalten und damit einen ersten wichtigen Schritt zu Diversitätsgerechtigkeit in der Hochschule beizutragen. Durch das Einbinden vieler Modell- und Methodenvorlagen und ihrer guten Übertragbarkeit wird zudem eine breite Zielgruppe angesprochen.

Literatur 1 Cowan, John; Harding, Alan. G. (1986): „A Logical Model for Curriculum Development". In: British Journal of Educational Technology 17 (2), 103–109. 2 Gaisch, Martina; Aichinger, Regina (2016): Das Diversity Wheel der FH OÖ: Wie die Umsetzung einer ganzheitlichen Diversitätskultur an der Fachhochschule gelingen kann. Tagungsband des 10. Forschungsforums der österreichischen Fachhochschulen. Wien. 3 Gibbons, Puline (2002): Scaffolding Language, Scaffolding Learning. Portsmouth, NH: Heinemann. 4 Harrison, David A.; Price, Kenneth H.; Bell, Myrtle P. (1998): „Beyond Relational Demography: Time and the Effects of Surface- and Deep-Level Diversity on Work Group Cohesion". In: The Academy of Management Journal 41 (1), 96–107. 5 Klein, Irene (2011): Gruppen leiten ohne Angst. Themenzentrierte Interaktion (TZI) zum Leiten von Gruppen und Teams. 12. Auflage. Donauwörth: Auer. 6 Pratt, Daniel D.; Smulders, Dave and Associates (2016): Five Perspectives on Teaching. Mapping a Plurality of the Good. Malabar, FL: Krieger Publishing. 7 Wood, David; Bruner, Jerome S.; Ross, Gail (1976): „The role of tutoring in problem solving". In: Journal of Child Psychology and Psychiatry and Allied Disciplines 17, 89–100.

By Daria Babanova and Milena Kahl

Reported by Author; Author

Titel:
Linde, Frank; Auferkorte-Michaelis, Nicole: Diversität in der Hochschullehre – Didaktik für den Lehralltag. Opladen: Barbara Budrich, 2021 (Kompetent lehren, 13; utb 5603). – ISBN  978-3-8252-5603-6. 143 Seiten, € 14,90
Autor/in / Beteiligte Person: Babanova, Daria ; Kahl, Milena
Link:
Zeitschrift: Info DaF: Informationen Deutsch als Fremdsprache, Jg. 49 (2022-04-01), Heft 2/3, S. 222-225
Veröffentlichung: 2022
Medientyp: academicJournal
ISSN: 0724-9616 (print)
DOI: 10.1515/infodaf-2022-0037
Schlagwort:
  • DIVERSITAT in der Hochschullehre: Didaktik fur den Lehralltag (Book)
  • SOCIAL background
  • DIVERSITY in education
  • LINDE, Frank
  • AUFERKORTE-Michaelis, Nicole
  • HIGHER education
  • GERMAN language
  • HUMAN origins
  • DESIGN education
  • NONFICTION
  • CULTURAL pluralism
  • Subjects: DIVERSITAT in der Hochschullehre: Didaktik fur den Lehralltag (Book) SOCIAL background DIVERSITY in education LINDE, Frank AUFERKORTE-Michaelis, Nicole HIGHER education GERMAN language HUMAN origins DESIGN education NONFICTION CULTURAL pluralism
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Product Review
  • Author Affiliations: 1 = Bremen, Germany
  • Full Text Word Count: 1394

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