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„In der Liga der Leitmedien": T-Online: Nach dem Relaunch soll das Newsportal aus dem Hause Ströer ganz oben mitspielen. Florian Harms und Marc Schmitz erzählen, wie das gehen soll.

Ansorge, Katrin
In: HORIZONT, 2022-05-05, Heft 18/19, S. 7-7
Online serialPeriodical

„In der Liga der Leitmedien": T-Online: Nach dem Relaunch soll das Newsportal aus dem Hause Ströer ganz oben mitspielen. Florian Harms und Marc Schmitz erzählen, wie das gehen soll 

Gerade erst hat Florian Harms den Bundeskanzler auf dessen Japan-Reise begleitet, doch in dieser Woche steht für den Chefredakteur von T-Online ein fast noch wichtigerer Termin im Kalender: Nach langer Vorbereitung geht das frisch überarbeitete Nachrichtenportal online, mit dem Ströer fortan eine starke Rolle im deutschen Journalismus spielen will.

Meine Herren, Sie haben drei Jahre am Relaunch von T-Online gearbeitet, jetzt ist die neue Seite online. Zufrieden?

Florian Harms: Ich bin außerordentlich zufrieden damit. Ein derart komplexes Portal wie T-Online komplett neu aufzusetzen, ist ein sehr großer Schritt. Deshalb war der Relaunch alles andere als ein Schnellschuss. Das Entscheidende ist, dass T-Online jetzt auch nach außen hin das ausstrahlt, was es im Kern schon längst ist: ein vollwertiges journalistisches Medium, das in der Liga der deutschen Leitmedien mitspielen kann.

Marc Schmitz: Man darf auch nicht vergessen: T-Online ist eine der ältesten Websites Deutschlands und seit über 25 Jahren online. Die technische Infrastruktur war dementsprechend in die Jahre gekommen, auch die Seite selbst wirkte eher wie ein General-Interest-Portal der 2000er Jahre als auf irgendeine Art und Weise modern. Das ist jetzt völlig anders.

Herr Harms, als Ströer T-Online 2015 übernommen hat, kündigte der Konzern – nach dem fast kompletten Austausch der Redaktion – eine Content-Offensive an. Heute wollen Sie in der Liga der deutschen Leitmedien mitspielen. Was macht Sie so sicher, das alles verwirklichen zu können?

Harms: Als ich 2017 anfing, herrschte bei T-Online Start-up-Feeling. Ich hatte rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber es gab keine redaktionellen Richtlinien und nur wenig Workflows. Da war wirklich Aufbauarbeit zu leisten. Parallel dazu haben wir uns in den damals laufenden Bundestagswahlkampf gestürzt. Wir wollten allen zeigen, dass wir nun vorn mitspielen – und wir haben das ebenso geschafft, wie unsere Reichweite kontinuierlich zu steigern. Mittlerweile haben wir die Redaktion auf 150 Leute ausgebaut, darunter ein Hauptstadtbüro in Berlin und viele exzellente Reporter und Rechercheure. T-Online ist aus dem Journalismus nicht mehr wegzudenken.

In der IVW-Statistik liefert sich Ihr Portal regelmäßig ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Bild.de und erreicht fast doppelt so viele Visits wie Spiegel Online. Ein Großteil der Nutzer kommt aber nach wie vor wegen ihrer Mail-Konten und nicht wegen der journalistischen Inhalte. Wie wollen Sie das ändern?

Schmitz: Hier hat sich schon sehr viel geändert. Als wir T-Online übernommen haben, hatten wir noch einen sehr großen Anteil an E-Mail-induziertem Traffic, das ist richtig. Mittlerweile ist das E-Mail-Postfach als Grund, auf unsere Website zu kommen, allerdings auf Platz 4 oder 5 gerückt. Wir verzeichnen rund 50 Prozent Direct-Traffic, der große Rest kommt im weitesten Sinne über Google. Dort holen wir die Leute thematisch ab – egal, ob mit Politik, Sport oder Unterhaltung. Wir haben hier in den letzten Jahren einen massiven Wandel erlebt.

Harms: Wir versuchen jeden Tag, in unseren drei publizistischen Säulen etwas Besonderes zu leisten: Im Bereich Nachrichten möchten wir unsere Leserschaft jederzeit schnell und präzise darüber informieren, was auf der Welt, in Deutschland und an ihrem jeweiligen Wohnort passiert. Außerdem setzen wir eigene journalistische Schwerpunkte. Das gelingt immer besser, unsere Recherche zu Manuela Schwesigs ominöser Klimastiftung wurde bis hin zur Washington Post zitiert. Zusätzlich machen wir einen umfangreichen Ratgeber- und Service-Journalismus. Vielen Menschen ist es jetzt im Frühjahr wichtiger, zu wissen, wie sie ihre Balkonpflanzen richtig behandeln, als was Olaf Scholz gerade sagt. Das meine ich nicht despektierlich, das ist einfach so.

Ein Vorteil ist dabei natürlich, dass Sie nicht auf digitale Vertriebserlöse angewiesen sind und auf Ihre Beiträge kein Paid-Content-Preisschild kleben müssen. Bleibt das so?

Harms: Gegenwärtig gibt es keinen Grund, an irgendeiner Stelle eine Paywall hochzuziehen, weil wir mit unserer Reichweite außerordentlich erfolgreich sind. Das ist nicht nur ein gutes, sondern auch ein ehrenwertes Geschäftsmodell. Ich halte nichts von der moralischen Debatte, dass Journalismus immer etwas kosten müsse. Im Gegenteil: Wenn guter Journalismus hinter Paywalls verschwindet, droht er, zum elitären Angebot zu werden, weil sich viele Menschen das nicht leisten wollen oder können. Wir können dank unserer großen Reichweite jedes gesellschaftliche Milieu mit Qualitätsjournalismus erreichen. So bekommen alle Bürger verlässliche und vertrauenswürdige Informationen zum Geschehen in Deutschland und der Welt. Damit leisten wir einen Beitrag zu einer gut informierten, demokratischen Gesellschaft.

Setzen Sie dafür eher auf konstruktive Berichterstattung, oder, angesichts des Reichweitenmodells, mehr auf lautere, polarisierende Inhalte?

Harms: Wir machen bei T-Online keinen Thesen- und keinen Kampagnenjournalismus. Wir sind keine Aktivisten, sondern Journalisten. T-Online steht in der Mitte der Gesellschaft. Wir sind nicht linksliberal wie manches andere Leitmedium, wir sind nicht rechtskonservativ, wir haben keine Agenda für oder gegen irgendetwas. Wir wollen zunächst nüchtern berichten, dann fachkundig einordnen, dann kommentieren, wenn möglich auch das dialektisch. Meinungsstücke sind deutlich gekennzeichnet, alle anderen Beiträge sollen meinungsfrei sein. Außerdem gehen wir sehr transparent mit Quellen um. Ich schätze den klassischen angelsächsischen Journalismus.

Viele Journalistinnen und Journalisten wollen heute nicht nur informieren, sondern mit ihrer Berichterstattung etwas bewegen. Erfordert die Zeit nicht eine deutlichere Positionierung?

Harms: Ich halte diese Entwicklung für riskant. Die Kernaufgabe von Journalisten ist es, zu informieren, nicht zu missionieren. Wenn ich erst eine Meinung habe und mir dann die dazu passenden Fakten zusammensuche, kommt ein anderes Ergebnis heraus, als wenn ich erst mal die Fakten aufbereite, diese dann erkläre und sie zum Schluss vielleicht noch kommentiere. Ich nehme wahr, dass vor allem viele jüngere Journalisten den Impuls verspüren, dass sie die Welt verbessern und für Klimaschutz, Nachhaltigkeit oder die Me-Too-Bewegung kämpfen müssen. Ich bin da sehr zurückhaltend.

Für Werbungtreibende werden unaufgeregte, planbare Umfelder immer wichtiger. Ströer vermeldete für 2021 beispielsweise große Pharmakampagnen – gleichzeitig wurde das Gesundheitsressort auf T-Online ausgebaut. Dasselbe galt für die Finanz- und die Nachhaltigkeitsrubrik. Wie eng arbeiten Sie beide eigentlich zusammen?

Harms: Keiner von uns beiden würde etwas machen, hinter dem der andere nicht hundertprozentig steht. Deshalb hat jedes neue Produkt immer eine publizistische und eine Business-Komponente. Auch mir ist der Wirtschaftsaspekt ja wichtig. Ich bin nicht nur Chefredakteur, sondern auch Co-Geschäftsführer und will natürlich, dass jedes Projekt möglichst schnell den Break-even erreicht. Alle unsere Bereiche, ob Nachrichten, Analysen, investigative Recherchen oder Ratgeberbeiträge, zahlen auf das Markenbild T-Online ein. Dass sich Kunden die für sie passenden Werbeumfelder aussuchen, ist ja legitim. Klar ist aber auch: Wir würden unser Angebot im Web niemals beschneiden oder über bestimmte Dinge nicht mehr berichten, aus Angst, bestimmte Werbekunden zu verärgern. Wie in allen anderen guten Redaktionen gilt auch bei uns das Chefredakteursprinzip: Wir in der Redaktion mit mir an der Spitze entscheiden, was publiziert wird und was nicht.

Seit 2020 läuft Ihre Regionaloffensive, mit der Sie in allen größeren deutschen Städten eine lokale Berichterstattung aufbauen wollen. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?

Schmitz: Unsere Umfragen zeigen immer wieder, dass sich 98 Prozent unserer Nutzerinnen und Nutzer lokale Inhalte wünschen. Deshalb war es für uns ganz logisch: Sobald wir die nationale Berichterstattung auf einem Niveau haben, mit dem wir alle glücklich sind, wird unser nächster Schritt in die Fläche führen. Aktuell liefern wir Lokalberichterstattung aus 13 Städten. Unser Ziel ist es, das Angebot auf alle Städte mit bis zu 250000 Einwohnern auszurollen und damit dann mehr als die Hälfte der deutschen Bundesbevölkerung mit lokalen Nachrichten und Serviceangeboten zu versorgen.

Die inhaltliche Lokaloffensive passt zu Ströers Public-Video-Netzwerk, das Sie nun mit zugeschnittenen Inhalten versorgen. Wo liegen die journalistischen Herausforderungen, Screens im öffentlichen Raum zu bespielen?

Harms: Public Video ist für uns ein eigener Medienkanal mit der besonderen Herausforderung, sich die Nutzerschaft dort nicht aussuchen zu können. Wir können in unseren Nachrichten dort keine Bilder aus Butscha zeigen, weil auch Kinder an den Screens vorbeilaufen. Deshalb machen wir dort ein breites journalistisches Programm, das sich nicht nur auf die harten Themen fokussiert. Dazu kommt jetzt die regionale Berichterstattung. Mir ist es grundsätzlich wichtig, der Bevölkerung eine informationelle Heimat zu geben: Egal, wo jemand mit der Marke T-Online in Berührung kommt, soll er vertrauenswürdige, präzise Nachrichten und Hintergründe erhalten.

Wie schätzen Sie aktuell die wirtschaftlichen Herausforderungen ein, Herr Schmitz?

Schmitz: Die Ukraine-Krise hat sich bei uns natürlich bemerkbar gemacht, sowohl in steigenden Reichweiten auf der einen als auch durch die Zurückhaltung im Werbemarkt auf der anderen Seite. In der Regel halten solche Entwicklungen aber nicht so lange an, weder im positiven noch im negativen Sinne. Aktuell liegen wir mit unseren Zahlen leicht über dem, was wir uns vorgenommen haben. Unsere Projekte laufen gut, vor allem die Regio-Offensive. Jetzt wird spannend, was nach dem Relaunch passiert. T-Online wird in puncto Ladezeiten deutlich schneller werden, außerdem haben wir viele Metriken im Bereich der Suchmaschinenoptimierung verbessert. Ich blicke deshalb ganz positiv auf den Rest des Jahres, soweit man das angesichts der vielen Unsicherheiten dieser Zeit tun kann.

Katrin Ansorge

PHOTO (COLOR): Foto: Robert Recker; Christian O. Bruch; Montage: HORIZONT Florian Harms (l.) ist Chefredakteur von T-Online, Marc Schmitz ist CEO der Ströer Content Group Foto: T-Online Alles neu macht der Mai: Die Website und die mobile Startseite von T-Online nach dem Relaunch

By Katrin Ansorge

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Titel:
„In der Liga der Leitmedien": T-Online: Nach dem Relaunch soll das Newsportal aus dem Hause Ströer ganz oben mitspielen. Florian Harms und Marc Schmitz erzählen, wie das gehen soll.
Autor/in / Beteiligte Person: Ansorge, Katrin
Zeitschrift: HORIZONT, 2022-05-05, Heft 18/19, S. 7-7
Veröffentlichung: 2022
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0175-7989 (print)
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  • Sprachen: German
  • Language: German
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  • Geographic Terms: UKRAINE
  • Full Text Word Count: 1492

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